Mrz 122007
 

Tote sind nicht populär. Besonders dann nicht, wenn der Tot durch Waffengewalt, im Rahmen eines kriegerischen Konflikts oder bei einem Polizeieinsatz, verursacht wurde. Gleichgültig auf welcher Seite die Leichen zu Grabe getragen werden müssen, durch zivile oder militärische Opfer gerät der Staat nur allzu schnell unter den Druck der Rechtfertigung.

 

Mit einer wachsenden Zahl von Todesopfern steigt die Rechenschaftspflicht des Staates in dem gleichen Maß an, wie die Popularität der politisch Verantwortlichen sinkt. Grund genug, über den vermehrten Einsatz von Waffen, die nicht töten, nachzudenken. Ihr Einsatz soll nicht zum Einknicken von politischen Popularitätswerten führen und daher werben Unternehmen, die solche Waffen produzieren, mit Slogans, die das Volk nur lieben kann. So zum Beispiel das US-amerikanische Unternehmen „Taser“, dessen Firmenphilosophie „saving lives every day“, genauso stilvoll und effektiv wie ihr Produkt auf Menschen wirkt. Das Steckenpferd dieser Firma sind Elektroschockwaffen, auch Taser genannt, die laut Firmenangaben bereits in 40 verschiedenen Ländern von Polizeieinheiten eingesetzt werden. Ein tödlicher Ausgang bei Gebrauch ist ebenso unwahrscheinlich wie ernsthafte Verletzungen, ohne dabei die Wirksamkeit der Waffe zu reduzieren. Selbstverständlich können diese gefahrlosen und zuverlässigen Produkte auch von Privatpersonen erworben werden. Für modebewusste Damen und Herren sogar in den Farben Blau und Pink.

 

Foto: Photolibrium on flickr.com

Foto: Photolibrium on flickr.com


Weniger für den Privatgebrauch, jedenfalls nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern primär für militärische Einsätze, soll die Millimeterwellen-Waffe geeignet sein. Sie wurde Ende Januar 2007 in den USA, im Rahmen des „Joint Non-Lethal Weapons“-Programms präsentiert. Die Millimeterwellen (ähnlich den Mikrowellen) dringen mit einer Frequenz von 95 Gigahertz etwa 0,4 Millimeter tief in die Haut ein und erhitzen sie auf bis zu 55 Grad Celsius. Diese Waffe, die ebenfalls nicht tötet, verfügt laut Werbeprospekt über die fantastische Eigenschaft jene zu schützen, die unschuldig sind, sowie etwaige Kollateralschäden zu verringern. Diese Waffengattung wird immer wichtiger, so der Direktor des Programms, da es für die Truppen im Einsatz zunehmend schwieriger wird, zu unterscheiden wer nun ein Gegner ist und wer nicht. Gerade in Krisengebieten wie dem Irak oder auch bei städtischen Demonstrationen würden solche Waffen vermehrt zum Einsatz kommen können. Die Millimeterwellen-Waffe wurde bisher jedoch nur an Versuchspersonen getestet, ein etwaiger Einsatz in einem Krisengebiet ist noch nicht bekannt geworden.

 

Diese nicht-tödlichen Waffen mögen unter Einhaltung strikter Anwendungsregeln tatsächlich keine ernsthaften Verletzungen verursachen, doch die Fakten belegen, dass gerade Elektroschockwaffen durchaus tödlich sind. Amnesty International dokumentierte seit Juni 2001 über 150 Tote durch den Einsatz von Tasern in den USA. Grund dafür ist, dass Personen mit dieser angeblich nicht-tödlichen Waffe unverhältnismäßig oft oder zu lange geschockt wurden. Beispielsweise starb ein Mann in Illinois am 10. Februar 2005, nachdem er über eine Minute geschockt wurde, da er einen Polizisten gestoßen und gebissen hatte. Ein anderer Mann wurde in Texas, nachdem er seiner Verhaftung durch Flucht entgehen wollte, über 20-mal geschockt, bevor er in Handschellen gelegt wurde und aufhörte zu atmen.

 

Das sind jedoch nur die dokumentierten Fälle. Gerade Elektroschockwaffen verfügen über die wunderbare Eigenschaft, keine Spuren bei dem Opfer zu hinterlassen, vorausgesetzt das Opfer überlebt den Einsatz der Waffe. Somit eignen sich diese Waffen besonders für Folterungen, die verschleiert werden sollen. Die propagierte Millimeterwellen-Waffe dürfte dafür vermutlich weniger geeignet sein, denn es ist nur schwer vorzustellen, dass auf der menschlichen Haut, bei einer Hitzeeinwirkung von 55 Grad Celsius über einen Zeitrahmen, welcher die Herstellerangaben übersteigt, keine Spuren zu sehen sind oder keine Folgeschäden zurück bleiben.

 

Nichtsdestotrotz sind und bleiben Waffen, die nicht töten, populär. Nicht zuletzt deshalb, weil uns die Hersteller wie die Anwender verdeutlichen, wie ungefährlich ihr Einsatz ist. Die vermeintlich propagierte Harmlosigkeit dieser Waffen setzt die Hemmschwelle für die Einsatzbereitschaft noch deutlicher herunter, als jene für Waffen, die töten. Bleibt nur die Frage, ob elektro-geschockte oder millimeterwellen-gegrillte Opfer irgendwann dieselbe Chance auf Unpopularität bekommen wie Getötete und welche Alternativen sich dann Politik und Waffenindustrie einfallen lassen?

Kommentar verfassen