wortwallungen

 

Ist Demokratie zu einem bloßen Wort verkommen, das bei kaum einem westlichen Menschen noch eine Wallung verursacht? Degradiert zur inhaltsleere Worthülse reicher Industriestaaten, geschmückt mit der Bedeutungslosigkeit von Freiheit, Gleichheit und Solidarität oder ist Demokratie nach wie vor ein Ideal, nachdem zu streben es sich lohnt?

Demokratie ist… Ja, was ist Demokratie eigentlich? Demokratie in seiner ureigensten Form bedeutet Volkssouveränität, also die Herrschaft des Volkes.

Grafik: http://www.udfl.net/democracy-and-democratic-politics.html

Der gemeinsamen Problemlösung wegen, schlossen wir politische Gemeinschaften, deren Geschichten durch den Kampf um die Vorherrschafft gezeichnet sind. Lange Zeit war es einer Elite der Wenigen vorbehalten, Entscheidungen für die politische Gemeinschaft zu treffen. Damit bestimmten die Wenigen über das Schicksal der Vielen. Im Laufe der Jahrhunderte wandte sich das Blatt und eine Demokratisierung der politischen Gemeinschaften setzte sich schrittweise und blutig durch.

Dabei entwickelten sich unterschiedliche Modelle von  Demokratie, doch allen sind bestimmte Grundprinzipien gleich. Damit sich Abraham Lincolns Idealvorstellung demokratischer Herrschaft: „government of the people, by the people, for the people“ verwirklicht, sollte erstens die Gleichheit aller sichergestellt werden. Dabei gilt es nicht nur die unterschiedlichen Wertigkeiten von Gelschlecht, Ethnizität, sexueller Orientierung, religiöse Anschauungen etc. zu überwinden, sondern auch wirtschaftliche und soziale Chancengleichheit durch die Stärkung der Solidargemeinschaft herzustellen. Zugleicht nährt sich jedoch eine politische Gemeinschaft von gesellschaftlicher Diversität, derentwegen Minderheiten besonderes Schutzes und Aufmerksamkeit bedürfen, um Diskriminierung jedweder Art zu verhindern.

Zweitens gilt es die Freiheit jedes Einzelnen zu bewahren. Aber da die Idealformel „die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt“ viel Raum für Interpretation lässt, entwickelte sich ein komplexer Rechtsstaat der durch seine Verfasstheit einen Schutz vor Willkür bieten soll. Die Verfassung eines politischen Gemeinwesens umfasst nicht nur Grund- und Freiheitsrechte,  die Prinzipien der Gewaltenteilung und deren Bindung an das gemeinschaftliche Recht, sondern garantiert auch die Partizipationsrechte Aller.

Die Partizipationsrechte umfassen nicht nur das allgemeine und gleiche Wahlrecht, sondern auch die Möglichkeit, eigene Präferenzen zu äußern und diese in den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess einbringen zu können. Nur wenn sich eigenen Interessen im politischen System wiederfinden, wird ein politisches System auch dann als legitim erachtet, wenn Entscheidungen auch gegen eigene Präferenzen getroffen werden.

Nun gut, wenn man sich diese paar Grundprinzipien zu Gemüte führt, liegt der oberflächliche Schluss nahe, alles sei in demokratischer Butter. Zumindest will uns das eine politische und wirtschaftliche Elite weismachen, die uns Sicherheit, Wohlstand und Frieden verspricht, während wir im westlichen Konsumrausch untergehen und uns gut und gerne von der schöneren Wirklichkeit blenden lassen, die uns der neue Flachbildfernseher in unsere Wohnzimmer liefert. Da gehen die Schicksale von unzähligen Menschen, deren Grund- und Freiheitsrechte zutiefst verletzt werden, weil wir uns einreden lassen, unsere Sicherheit sei bedroht, leicht unter. Aber auch die Untergrabung unserer eigenen Rechte lassen wir schrittweise zu, um unser Bedürfnis nach Wohlstand, Sicherheit und Glückseligkeit vermeintlich zu stillen.

Nur noch selten erfasst uns eine Wallung, wenn wir Worte wie Demokratiedefizit, Menschenrechtsverletzung, Datenschutz, Wettbewerbsfähigkeit, Terrorismusbekämpfung, Medienfreiheit, Asylrechte, elektronische Gesundheitsakte, Frauenrechte, Sicherheit von BürgerInnen in städtischer Umgebung, Solidarität, Freiheit der Wissenschaft, Europäischer Hochschulraum, Meinungsfreiheit hören. Zu komplex erscheint alles, um es verstehen zu können. Zu wenig Zeit bleibt dem Alltag für kritische Reflexion. Zu sehr stumpft der Leistungswahn uns ab, um Wallungen zu fühlen und die Partizipationsrechte in Anspruch zu nehmen. Zu aussichtslos scheint der Kampf gegen die mächtigen Windmühlen dieser Welt. Und dennoch gibt es eine wachsende Gemeinschaft, die sich die Möglichkeiten der modernen Kommunikation zu Eigen gemacht hat, um ihren Präferenzen Ausdruck zu verleihen. Sei es über soziale Netzwerke, Blogs, Kurznachrichten, Fotos, Videos oder sonst einer Wortwallung, die der Bedeutung von Freiheit, Gleichheit und Solidarität wieder ein normatives Leben einhaucht, damit es sich lohnt, nach den Idealen der Demokratie zu streben.