Jun 082012
 

Bei einer Verhaftung hat jedEr Anspruch darauf, über ihre/seine Rechte aufgeklärt zu werden. Vielfach geglaubt. Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher US Serien und Filme. Tatsächlich existiert das sogenannte Recht auf Rechtsbelehrung lediglich in gut einem Drittel der EU-Mitgliedstaaten[1].

Grund genug für die Europäische Kommission im Juli 2010 eine Richtlinie auf den Weg zu bringen, die diesen Umstand ändern soll.  Im Dezember 2011 wurde im Europäischen Parlament über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren abgestimmt und im April 2012 ist die Richtlinie von den JustizministerInnen der EU-Mitgliedstaaten verabschiedet worden. Diese neue Regelung wird gewährleisten, dass in EU-Ländern jede Person, die festgenommen wird oder gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergeht, eine Rechtsbelehrung erhält, in der ihre grundlegenden Rechte in Strafverfahren aufgelistet sind. Den Mitgliedstaaten bleiben zwei Jahre für die Umsetzung in nationalstaatliches Recht.  Die zuständige Kommissarin Viviane Reding sieht in der Umsetzung der Richtlinie einen „weiteren zentralen Pfeiler des Europäischen Rechtsraums“.

Die Richtlinie soll künftig gewährleisten, dass Polizeibeamte und Staatsanwälte Verdächtige über ihre Rechte belehren. Wobei die Belehrung in schriftlicher Form erfolgen soll, gleichgültig, ob die festgenommene Person darum ersucht oder nicht. Die Festgenommenen oder Inhaftierten müssen darüber informiert werden, dass sie das Recht haben:

  • die Aussage zu verweigern,
  • einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen,
  • über den Tatvorwurf belehrt zu werden,
  • Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen in einer beliebigen Sprache in Anspruch zu nehmen, wenn sie die Verfahrenssprache nicht verstehen,
  • nach der Festnahme unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden,
  • andere von ihrer Festnahme oder Inhaftierung in Kenntnis zu setzen.

Im Bedarfsfall muss die schriftliche Rechtsbelehrung in die Muttersprache des Verdächtigen übersetzt werden. Die Wahl des genauen Wortlauts bleibt den einzelnen Staaten überlassen. Allerdings hat die Kommission vorsorglich ein Muster in 22 Sprachen beigelegt. Hier jenes in Deutsch:

„Sie haben die folgenden Rechte:

A. HINZUZIEHUNG EINES RECHTSANWALTS / ANSPRUCH AUF PROZESSKOSTENHILFE

Sie haben das Recht, unter Wahrung der Vertraulichkeit mit einem Rechtsanwalt zu sprechen. Ein Rechtsanwalt ist von der Polizei unabhängig. Wenn Sie Hilfe benötigen, um Kontakt mit einem Rechtsanwalt aufzunehmen, bitten Sie die Polizei um Unterstützung. In manchen Fällen kann die Hinzuziehung unentgeltlich sein. Bitten Sie die Polizei um weitere Informationen.

B. INFORMATIONEN ÜBER DEN TATVORWURF

Sie haben das Recht zu wissen, aus welchem Grund Sie festgenommen/inhaftiert wurden und wessen Sie verdächtigt werden.

C. DOLMETSCH- UND ÜBERSETZUNGSLEISTUNGEN

Wenn Sie die betreffende Sprache nicht sprechen oder verstehen, haben Sie das Recht, einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Dies erfolgt unentgeltlich. Der Dolmetscher unterstützt Sie beim Gespräch mit Ihrem Rechtsanwalt und muss den Inhalt dieses Gesprächs vertraulich behandeln. Sie haben das Recht auf eine Übersetzung mindestens der wichtigen Abschnitte wesentlicher Dokumente, einschließlich aller Anordnungen eines Richters, mit denen Ihre Festnahme oder Ihr Verbleib in Gewahrsam gestattet wird, aller Beschuldigungs- oder Anklageschriften und Urteile. In bestimmten Fällen können Sie eine mündliche Übersetzung oder eine Zusammenfassung erhalten.

D. RECHT AUF AUSSAGEVERWEIGERUNG

Während der Vernehmung durch die Polizei oder die Justizbehörden sind Sie nicht verpflichtet, Fragen über die mutmaßliche Straftat zu beantworten. Ihr Rechtsanwalt kann Sie bei dieser Entscheidung unterstützen.

E. ZUGANG ZU DOKUMENTEN

Wenn Sie festgenommen werden, haben Sie (oder Ihr Rechtsanwalt) das Recht auf Zugang zu wesentlichen Dokumenten, die Sie benötigen, um die Festnahme oder Inhaftierung anzufechten. Wenn Ihr Fall vor Gericht gebracht wird, haben Sie (oder Ihr Rechtsanwalt) das Recht auf Zugang zu den Beweismitteln zu Ihren Lasten oder zu Ihren Gunsten.

F. UNTERRICHTUNG EINER ANDEREN PERSON ÜBER IHRE INHAFTIERUNG / UNTERRICHTUNG IHRES KONSULATS ODER IHRER BOTSCHAFT

Wenn Sie jemanden über Ihre Inhaftierung unterrichten möchten, beispielsweise ein Familienmitglied oder Ihren Arbeitgeber, teilen Sie dies der Polizei bei Ihrer Festnahme mit. In manchen Fällen kann das Recht, Andere über Ihre Inhaftierung zu unterrichten, vorübergehend eingeschränkt sein. Die Polizei kann Ihnen mehr dazu sagen.

Wenn Sie Ausländer sind, teilen Sie der Polizei mit, ob Sie Ihre Konsularbehörden oder Ihre Botschaft über die Inhaftierung unterrichten möchten. Teilen Sie der Polizei auch mit, wenn Sie mit einem Beamten Ihrer Konsularbehörden oder Ihrer Botschaft Kontakt aufnehmen möchten.

G. DRINGENDE MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Wenn Sie festgenommen werden, haben Sie das Recht auf dringende medizinische Versorgung. Teilen Sie der Polizei mit, ob Sie eine medizinische Behandlung benötigen.

H. DAUER DES FREIHEITSENTZUGS

Nach Ihrer Festnahme können Sie für einen Zeitraum von höchstens ….(bitte fügen Sie die entsprechende Zahl an Stunden/Tagen ein) der Freiheit entzogen werden/in Untersuchungshaft genommen werden. Nach Ablauf dieses Zeitraums müssen Sie entweder auf freien Fuß gesetzt oder einem Richter vorgeführt werden, der über Ihre weitere Haft entscheidet. Erkundigen Sie sich bei Ihrem Rechtsanwalt oder dem Richter nach den Möglichkeiten, die Festnahme anzufechten, eine Haftprüfung zu erwirken oder einen Antrag auf vorläufige Haftentlassung zu stellen.“



[1] Deutschland, Italien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Slowakei, Spanien, Tschechische Republik, Vereinigtes Königreich (England und Wales).