Jun 252009
 

Die halbe Welt bloggt, zwitschert oder postet Fotos und Videos. Wir versinken in einer Flut von individualisierten Informationen, deren Vielfalt kaum noch fassbar scheint. Doch gerade diese unfassbare Flut ermöglicht es den traditionellen Medien weiterhin über die Geschehnisse im Iran zu berichten. Unzählige Iranerinnen und Iraner stellen täglich Informationen ins Netz, damit ihre Proteste gegen den Wahlbetrug auch jenseits der iranischen Grenzen gehört werden können. So ging innerhalb kürzester Zeit das Video der sterbenden Demonstrantin Neda um die Welt, das mittlerweile zu einem Symbol der Regimebrutalität gegen die grüne Revolution geworden ist.

 

Foto: net_efekt on flickr.com

Foto: net_efekt on flickr.com


Die traditionellen Medien stürzen sich gerade zu auf diese Informationen, vergessen aber nicht zu betonen, dass es sich hierbei um Amateuraufnahmen handelt, deren Wahrheitsgehalt nicht zu überprüfen sei. Dem mag wohl die Prämisse zu Grunde liegen, dass die klassische Berichterstattung stets auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft wird. Das dem nicht immer so ist verdeutlichen die vergangenen Meldungen über das Massaker in Temeswar 1989 oder die Berichte über die vergewaltigte bosnische Nonne Lucj 1994 (mehr hierzu: „Fakes in Journalism“ von Stehpan Russ-Mohl, Marcello Foa und Cristina Elia). Sie waren falsch und dennoch wurde berichtet, ohne dabei zu betonen, dass sie nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft wurden.

 

Eine wahre Berichterstattung ist genauso relativ wie die Wahrheit selbst. Religionen, demokratische wie undemokratische Regime und ihre Revolutionen beanspruchen stets die Wahrheit für sich. Gefangen in ihren Perspektiven an Raum und Zeit, unfähig zu erkennen, dass die Informationen ebenso Vielfältig sind wie die Wahrheit.

 

Ist das Neda-Video nun wahr? Ja, es ist wahr. Wahr aus der Perspektive des Filmenden, wahr aus der Perspektive der Helfenden und wahr aus der Perspektive der Familie, die ein Kind ihrer Revolution verloren hat. Ohne den gegenwärtigen Reichtum an Kommunikationsmethoden wären uns diese Perspektiven verwehrt geblieben. Unterliegt der Zugang zu dem Reichtum einer Zensur der Wahrheit, bleibt die Möglichkeit andere Perspektiven zu erfahren verwehrt.

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